- Empfangsgebäude des Böhmischen Bahnhofs in Dresden, erbaut 1861 bis 1864, entworfen von Moritz Haenel und Adolph Canzler
- Leipziger Bahnhof 1839, Kolorierte Lithographie; J.C.A. Richter, Sammlung Galerie Saxonia
Dresden, im August 2013
Lieber Richard Wagner,
du wirst bei deinen späteren Besuchen in dem Vorläufer des heutigen Hauptbahnhofs angekommen sein, dem Böhmischen Bahnhof. Er wurde auf dem Gelände der Struveschen Mineralbrunnenanstalt gebaut. Du wirst dich erinnern. Friedrich Adolph August Struwe, der Wissenschaftler und Erfinder, dem die Salomonis-Apotheke am Neumarkt gehörte. In jener Apotheke, wo Theodor Fontane 1842/1843 sein Volontariat absolvierte. Vielleicht hat dir der berühmte Reiseschriftsteller einmal ein Medikament für die in jenen Tagen kränkliche Minna verkauft. Wir wissen es nicht. Aber du wirst Struves Sohn Gustav (1812 − 1889) gekannt haben, der die Apotheke weiterführte. Er gründete 1821 die “Dr. Struves Sächsische konzessionierte Mineralwasseranstalt” an der Großen Oberseergasse 21, die ab 1846 Struvestraße hieß. Die Produktion von Tafelwasser, Sodawasser und Limonaden setzte sich bis 1945 fort, als auch dieses Gelände vom Bombenangriff zerstört wurde. 1969 endete die Geschichte der Firma Struve. Allein das Familiengrab auf dem Trinitatisfriedhof in der Johannstadt existiert noch. Verzeih, lieber Wagner, ich verliere mich. Zurück zum Dresden des Jahres 1842.
Wie hatte sich Dresden in den Jahren deiner Abwesenheit verändert. Welche Stadt fandest du vor, als du mit Minna 1842, nunmehr vor genau 170 Jahren, wieder in der Stadt wohntest. Zur Erinnerung habe ich für dich stichpunkartig einige Daten aus einem Städteführer und einige kolorierte Radierungen von J.C.A. Richter zusammengetragen:
1828 Gründung der “Königlich Technischen Bildungsanstalt”, Vorläufer der Technischen Universität Dresden, Einführung der Gasbeleuchtung
1830 Beseitigung der Festungsanlagen, Anlage von neuen Promenaden, große Häuser und Gärten entstanden
1831 Einführung der Sächsische Verfassung
1832 Neue Städteordnung für Dresden
1837 Gründung der “Sächsisch-böhmischen Dampfschifffahrtsgesellschaft”, Bau der ersten Dampflokomotive “Saxonia”
1838 Beginn des Baus der neuen Oper von Gottfried Semper
1838 Das Waldschlösschen erlebt den ersten öffentlichen Ausschank der Brauerei
1839 Die Eisenbahnstrecke von Dresden nach Leipzig wird eröffnet
1841 Der Bau der neuen Oper von Gottfried Semper wird fertig gestellt
1841 Die alte Zuckergießerei am Theaterplatz wird zum Lokal und gerne vom Theaterpublikum besucht
1842 Richard Wagner wird Hofkapellmeister
Lieber Wagner, Du wirst damals nicht im Geringsten vermutet haben, dass du einmal in einem Städteführer in den als wichtig zu nennenden Daten der Stadt gelistet sein wirst. 1842 Richard Wagner wird Hofkapellmeister. Mit Recht wirst du sagen, „nein, das ist so nicht richtig, was schreiben die da? Das war 1843“.
Wagner wurde am 2. Februar 1843 als Königlicher Hofkapellmeister auf Lebenszeit mit einem Jahresgehalt von 1500 Talern angestellt. [Richard Wagner, Sämtliche Briefe, Band II., S. 200]
Aber Fehler schleichen sich schnell ein und umso schneller die Uhren laufen, umso hektischer die Welt sich dreht, desto mehr Fehler werden gemacht. Du würdest heute staunen in welcher Geschwindigkeit die Dinge ihren Lauf nehmen. Diese Hektik macht oft krank. Ob du heute gerne leben würdest? Vielleicht, wir wissen es nicht. Aber eins weiß ich, das Dresdner Opernhaus war deine Welt. Es ist mein nächstes Ziel. Doch zuvor werde ich mich stärken und im Café in der Schinkelwache einen Kaffee trinken und ein Stück Eierschecke essen, eine Dresdner Spezialität, wie man mir sagte. Die Schecke, ein Blechkuchen aus Hefeteig mit einem Belag aus Äpfeln, Quark und Mohn und mit einem Guss aus Sahne, Vollei, Zucker und Mehl wurde in Anlehnung an eine Männerkleidung, (oberer Teil, Gürtel, unterer Teil) benannt, so sagte man mir. Der Name Eierschecke leite sich von der obersten der drei Schichten ab. Aufgrund des reichhaltigen Belages soll die Eierschecke zu deinen Zeiten nur für gut betuchte Bürger erschwinglich gewesen sein. So wirst du sicherlich die Eierschecke kennen und mir davon berichten können. Aber vorerst mache ich mich auf den weg zum Opernhaus.
Bis gleich. Deine Ulrike
- Brühl´sche Terrasse, J.C.A. Richter um 1830
- Cafe Reale auf der Brühl´schen Terrasse, J.C.A. Richter um 1830,
abends
Lieber Richard Wagner,
leider war das Opernhaus heute geschlossen. Ausnahmsweise, denn normalerweise finden am Nachmittag Führungen statt, aber heute war eine Sonderprobe angesetzt, sodass die turnusmäßige Führung ausgesetzt werden musste. So bleibt mir vorerst dir eine gute Nacht zu wünschen, ich eile zum Bahnhof, um eine Freundin abzuholen. Mit ihr werde ich, wenn sie Lust hat das Opernhaus morgen Nachmittag anschauen.
Bis nächste Woche
viele Grüße Deine Ulrike

Die Schinkel´sche Hauptwache mit dem italienischen Dörfchen im Hintergrund, J.C.A. Richter um 1830